Die Nacht ist wie erhofft ruhig, ich schlafe tief und verlasse nach einem café con leche bereits kurz vor 7:00 Uhr das Hotel. Ich möchte heute ja so weit als möglich gehen, um so nah wie möglich an Santiago heran zu kommen. Auf diese Weise hoffe ich, morgen so frühzeitig Santiago zu erreichen, dass ich vor der Masse im Pilgerbüro sein werde, und somit der Warteschlange für die Pilgerurkunde entgehen kann. Der Himmel ist bedeckt, aber zwischendurch kämpft sich immer wieder mal die Sonne durch. Es regnet jedoch dankenswerterweise nicht.
Nach etwa drei Stunden frühstücke ich in Ribadiso de Baixo, Mittagspause ist in Calle. Ich beobachte eine Schnecke, die sich an einem langen Faden von einem Baum abseilt. So etwas habe ich bislang auch noch nicht gesehen. Heute reiße ich wirklich nur Kilometer ab, ich komme gar nicht dazu, Tagebuch zu führen, Stichworte müssen genügen.
Kurz vor Santa Irene trinke ich ein Glas Tonic Water. Hier habe ich einen Tiefpunkt. Mein Tagesziel steht auf der Kippe, und ich bin drauf und dran in die nächste Herberge zu gehen. Irgendwie schaffe ich es jedoch, mich erneut zu motivieren und raffe mich wieder auf.
Etwa sechs Kilometer vor Lavacolla schleppe ich mich eine - an sich mässige - Steigung hoch, die ich fast nicht bewältige. Danach gilt es, einen kleinen Flugplatz zu umrunden, das gibt mir den physischen und psychischen Rest. Mit wirklich letzter Kraft erreiche ich ein gut aussehendes Hotel. Ich kann nicht weiter, und unabhängig vom Preis gehe ich hinein und nehme mir ein Zimmer. Doch ich habe Glück. Es kostet nur 28,89€, warum der Preis so krumm ist, leuchtet mir nicht ein. Ich lege mich aufs Bett und falle sofort in einen komatösen Schlaf.
Eine Stunde später wache ich auf und gehe duschen. Warmes Wasser berührt meine Füße, und ich könnte wieder einmal vor Schmerzen schreien. Dann gehe ich hinunter in den Esssaal. Vor Erschöpfung verspüre ich keinerlei Hunger, aber ich weiß, wie wichtig es ist, wenigstens eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen.
Die Speisekarte ist ausschließlich auf Spanisch, ich bestelle etwas, das nach einem Schnitzel klingt. Leider wird aus dem Schnitzel eine kalte Wurstplatte. Diese ist richtig üppig, aber eklig fett. Ich picke die besten Stücke heraus, leere den Brotkorb, bestelle noch etwas Brot nach und gehe dann ins Bett.
Auf meinem Zimmer wird mir bewusst, dass ich heute sage und schreibe etwa 48 (in Worten achtundvierzig) Kilometer gelaufen bin. Das ist eine für mich beachtenswerte Leistung, das hätte ich mit Sicherheit zu Beginn meiner Wanderung nicht schaffen können!
Etwas stolz falle ich in die Kissen. Mein Blick fällt auf eine Tafel, die auf Deutsch verkündet, dass hier im Fernsehen auf Kanal 11 ZDF empfangen werden kann. Das interessiert mich in meinem derzeitigen Zustand allerdings herzlich wenig!
Gute Nacht allerseits!