Nach einer sehr ruhigen Nacht stehe ich gegen 7:00 Uhr auf und bereite mich auf die heutige Etappe vor. In der Bar wird für wenig Geld ein kleines Frühstück angeboten, winzige Baguettes, Butter, Marmelade und einen großen café con leche, einfach, aber völlig ausreichend. Mit zu vollem Bauch ist schlecht wandern! Da die Bar recht beengt ist, die Nachfrage jedoch überaus groß, herrscht ein heilloses Durcheinander, die Wirtin ist völlig überfordert. Sie gibt den falschen Leuten die falschen Dinge, diese beschweren sich und geben es einer anderen Wirtin zurück, diese weiß nicht wohin damit, keiner versteht den anderen - aber letztendlich bekommt jeder irgendwie sein Frühstück. Frisch gestärkt mache ich mich auf den Weg.
Unweit hinter der Ruine Convento de San Antón trinke ich in einer kleinen Bar einen weiteren café con leche. Kurz darauf holen mich Ina und eine Spanierin ein und setzen sich dazu. Hier habe ich das erste Mal intensiv das Gefühl, Zeit zu haben und tatsächlich sitzen wir sehr lange in diesem kleinen Café, lassen die Seelen baumeln, schwatzen und trinken noch mehrere café con leche.
Schließlich macht sich jeder für sich auf den Weg nach Castrojeriz. Im Ort treffe ich Peter und wir begrüßen uns mit großem Hallo. Da es wegen des Feiertages und des Wochenendes überall sehr voll ist, hat er in Itero de la Vega telefonisch eine Unterkunft reserviert. Kurzerhand entscheide ich mich, gleich hier im Ort zu übernachten. Ina gesellt sich zu uns und beschließt, es mir gleich zu tun. Es war eine weise Entscheidung. Zwar müssen wir fast zwei Stunden warten, bis die Herberge ihre Pforten öffnet - Zeit für mein Tagebuch -, dann ist sie jedoch binnen 10 Minuten vollständig ausgebucht.
Heute habe ich einen richtigen Wellness-Tag. Die Strecke betrug nur 10 Kilometer, ich habe viel Kaffee getrunken und getrödelt, bin früh in der Herberge, werde jetzt heiß duschen und mich das erste Mal auf dem Jakobsweg rasieren.
Später spaziere ich durch den Ort. Die meisten Läden und Bars dieser lang gestreckten Ortschaft haben geschlossen. Eigentlich gibt es nur eine sehr lange Straße, neben der sich links und rechts die Häuser aneinander reihen. Wegen der brütenden Hitze endet die Ortsbegehung schon bald in einer kleinen Bar bei einem großen Bier und - schließlich habe ich ja meinen Wellness-Tag - einem zweiten hinterher.
Die Hitze und zwei große Glas Bier vertragen sich nur bedingt. Leicht beschwipst gehe ich auf ein Nickerchen in die Herberge zurück. Dort treffe ich Ina. Sie hat den Nachmittag alleine im Schatten einer Burgruine auf einem kleinen Berg oberhalb der Ortschaft verbracht. Diese Burg wurde im 8.Jh. gegründet. Ab dem 18.Jh. ereilte sie das Schicksal vieler Burgen, indem sie als Steinbruch verwendet wurde. Ina und ich verabreden uns zum Abendessen. Zwischenzeitlich ist auch Manfred mal wieder eingetroffen und möchte sich uns anschließen. Wortlos sind wir uns einig, dass wir das aber nicht möchten und Manfred muss das wohl oder übel akzeptieren.
Wir gehen also in ein Restaurant. Da es erst ab 20:00 Uhr etwas zu essen gibt, trinken wir schon mal ein Bier. Um 20:15 Uhr haben wir beide wirklich großen Hunger - ich habe heute nur das winzige Frühstück gehabt - aber es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass sich in der Küche irgend etwas bewegt. Ich frage die einzige Bedienung, die zuckt nur mit den Schultern und geht wieder.
Wir verlassen diese Lokalität und finden ein kleines, recht gemütliches Restaurant. Es ist rappelvoll, aber die Wirtin weist uns einen Eckplatz zu. Das Pilgermenu besteht aus einer leckeren Vorspeise, einer Fleischsuppe (wohl eine hiesige Delikatesse) als Hauptspeise sowie einem guten Nachtisch. Die Suppe schmeckt an sich nicht schlecht, aber die pelzartigen Fleischstücke bekomme ich einfach nicht herunter gewürgt. Es ist, als ob man ein Stück Fell kauen und schlucken müsste und ich möchte gar nicht wissen, was das eigentlich ist (möglicherweise ein Kuhmagen). Nur das beigelegte Brot füllt den Magen.
Zwischen den Gängen erzählt Ina von sich und ihrem Leben und was ich erfahre, gehört nicht in ein öffentliches Tagebuch. Wir beschließen, ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen ohne jedoch aufeinander zu kleben, verlassen einigermaßen hungrig das Restaurant und begeben uns zurück in die Herberge.